Das Ende des Versailler Vertrages
Am 3. Oktober 2010 waren die letzten deutschen Reparationszahlungen für den 1919 geschlossenen Friedensvertrag fällig gewesen. Damit lässt das wiedervereinigte Deutschland die Schrecken der Vergangenheit hinter sich, ohne sie zu vergessen. Die meisten Deutschen dürften davon nichts wissen, schließlich ist der Friedensvertrag von 1919 ein längst abgeschlossenes Kapitel. Mit den schädlichen Folgen seiner äußerst harten Reparationsforderungen für die junge Weimarer Republik befassen sich allenfalls noch die Historiker. Aber eben doch nicht sie allein, sondern auch das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen - mit dem man auch nicht jeden Tag zu tun hat. Das Amt brachte im Jahr 2010 eine letzte Zahlung von 70 Mio. Euro für eine Bundes-Schuldverschreibung auf den Weg. Mit dieser Tilgung sind die noch verbliebenen Auslandsschulden des Deutschen Reiches abgelöst worden, die noch auf die Reparationen zurückgingen.
Zugegeben, es kostet etwas Überwindung, zu glauben, dass die Bundesrepublik noch 2010 für finanzielle Forderungen aus einem Vertrag von 1919 einsteht, der seit Jahren auch international als ein politisches Fiasko gilt. Die erdrückenden Bedingungen des in einem Eisenbahnwagen unterzeichneten Vertrags waren ein Teil des Weges in die Nazi-Diktatur, weil sie der extremen Rechten die Agitation gegen die junge Republik von Weimar mit Begriffen wie "Erfüllungspolitiker" und "Schandvertrag" erleichterte.
Nur: Manche Anleihe hat ein Leben, das länger währt als politische Intentionen. Mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 hat sich die junge Bundesrepublik mit den West-Allierten und weiteren Staaten verständigt, wie die Auslandsschulden des Deutschen Reichs und Preußens behandelt werden sollten. Die waren während des Zweiten Weltkriegs nicht mehr bedient worden.
Es ging dabei unter anderem auch um die Dawes- und Young-Anleihen, zwei Bonds, mit denen den Deutschen in den 20er-Jahren die Reparationszahlungen durch zeitliche Streckung etwas erleichtert werden sollten. In den Jahren nach 1953 wurden die Forderungen im Einzelnen geprüft und mit neuen Anleihen beglichen, deren letzte 1984 fällig war.
Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Denn auch nach dem Londoner Abkommen blieben noch Zinszahlungen offen, die zwischen 1945 und 1952 nicht erfolgt waren. Für diese Beträge hatten die deutschen Unterhändler eine geschickte Regelung getroffen: Sie sollten erst beglichen werden, wenn Deutschland wiedervereint sei. Damals hieß das so viel wie: am Sankt-Nimmerleins-Tag.
Anders als von vielen erwartet stellte sich dieser Tag aber doch ein, und zwar am 3. Oktober 1990. Penibel wie sie ist, legte die Bundesschuldenverwaltung unmittelbar nach der Wiedervereinigung eine neue Anleihe auf - Zins: magere drei Prozent - mit der die noch offenen Zinszahlungen auf die alten Anleihen aus Reparationszeiten abgegolten wurden. Deshalb endet der Versailler Vertrag exakt 20 Jahre nach der Wiedervereinigung.