IMPERIUM USA

Viele betrachten die USA als die größte Gefahr für den Weltfrieden. Woran liegt das? Ein Buch über Hintergründe, Motive und Mittel der Weltmacht USA. Nach Ansicht vieler haben die USA den stärksten destabilisierenden Einfluss auf das Weltgeschehen und stellen somit die größte Bedrohung für den Weltfrieden dar (Allensbach 2019). Diese traurige Spitzenstellung hat sich die Weltmacht Nr. 1 nicht von ungefähr erworben. Keine andere Nation hat seit 1945 so viele andere Länder bombardiert und so viele Regierungen gestürzt wie die USA. Sie unterhalten die meisten Militärstützpunkte, exportieren die meisten Waffen und haben den höchsten Rüstungsetat der Welt. Daniele Ganser beschreibt eindrücklich, wie die USA Weltmachtpolitik betreiben, in der Gewalt ein zentrales Element darstellt.

Daniele Ganser


Etwas Geschichte

Vor dem WELTBRAND - Die Kuba-Krise 1962

Herbst 1962: Die Sowjetunion stationiert Kurz- und Mittelstreckenraketen auf Kuba. Die Vereinigten Staaten antworten mit einer Seeblockade. „Krieg ist seit Montag möglich“ – titelt die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Münchener „Abendzeitung“ fragt: „Gibt es Krieg?“ Die Kuba-Krise ist der Höhepunkt des Kalten Krieges.

Wenige Stunden nach der Ankündigung der USUnited States-Seeblockade gegen Kuba am 22. Oktober 1962 werden in Deutschland wieder Lebensmittel gehamstert. Menschen umlagern Radio- und Fernsehgeräte – sie sind gierig nach Nachrichten. Ein Run auf Barrengold setzt ein. Fluchtgeld ergießt sich in breitem Strom in die Schweiz. Die Börsenkurse fallen in den Keller. Apotheken und Drogerien melden große Nachfrage nach Verbandskästen, Brandsalben und Medikamenten. In Deutschland geht die Angst um. Besorgte Eltern rufen ihre in Berlin studierenden Kinder nach Westdeutschland zurück. Für Beamte des zivilen Bevölkerungsschutzes gilt Dauerbereitschaft.

In den Herbsttagen vom 14. bis 28. Oktober 1962 prallen die USA und die Sowjetunion aufeinander. Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, hat heimlich vor der Haustür der USA auf Kuba Kurz- und Mittelstreckenraketen stationieren lassen. Mit nuklearen Sprengköpfen können sie ohne Vorwarnzeit die Metropolen der US-United States-Ostküste erreichen. Eine bis dahin nicht gekannte Bedrohung. US-United States-Präsident John F. Kennedy antwortet mit der Blockade Kubas. Die Welt schaut in den atomaren Abgrund.

Chruschtschow will mit den Raketen auf Kuba die US-United States-Amerikaner zu einer nachgiebigeren Haltung in Europa bewegen. Er hofft so, dass die USA die DDR anerkennen, einen Abschluss eines Friedensvertrages mit beiden deutschen Staaten zu erreichen und eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa errichten zu können. Der reibungslose Bau der Berliner Mauer 1961 und die Hinnahme des Mauerbaus durch die US-United States-Amerikaner, Briten und Franzosen haben Chruschtschow zu dieser Hoffnung verleitet und sein politisches Selbstbewusstsein gestärkt.

Der sowjetische Führer verfolgt mit der Stationierung von Offensivwaffen auf Kuba im Wesentlichen neben seinen europäischen drei weitere Ziele: das von Fidel Castro geführte sozialistische Kuba gegen eine erneute Invasion von außen zu sichern, einen politischen Vorposten in der amerikanischen Hemisphäre zu etablieren und eine zusätzliche nukleare Option gegenüber den Vereinigten Staaten zu gewinnen. Bereits 1961 haben die USA eine geheime Operation „Invasion in der Schweinebucht“ durchgeführt, um mithilfe von Exilkubanern die sozialistische Revolutionsregierung unter Fidel Castro zu stürzen. Das Unternehmen endet in einem Fiasko. Kuba festigt daraufhin sein sozialistisches System und schließt sich noch enger an die Sowjetunion an.

Der Bau von Abschussrampen für Raketen auf Kuba ist für den Kreml darüber hinaus die einzige waffentechnische Möglichkeit, der strategischen Überlegenheit der USA zu begegnen. Damit will Moskau einen teuren und für sich wirtschaftlich katastrophalen Rüstungswettlauf vermeiden.

Mehrere militärische Optionen hat Kennedy als Antwort zur Auswahl: Blockade, Bombardierung der Raketenbasen oder Invasion. Der USUnited States-Präsident wählt die von seinem Verteidigungsminister Robert McNamara vorgeschlagene Seeblockade. Grund: Sie lässt sich mit dem geringsten Maß an Gewalt ausführen.

Am Abend des 22. Oktober spricht Kennedy im Fernsehen zur Nation. Er gibt die Erkenntnisse über die sowjetischen Stützpunkte auf Kuba bekannt und erläutert die davon ausgehenden Gefahren. Der Aufbau der Raketen stelle „eine absichtliche, provokante und ungerechtfertigte Veränderung des Status quo dar, die von unserem Land nicht hingenommen werden kann“. Zur Überraschung der ganzen Welt verkündet John F. Kennedy eine maritime Quarantäne von offensivem Rüstungsmaterial um Kuba. Zugleich ruft er die Vereinten Nationen und Chruschtschow dazu auf, eine Bedrohung des Weltfriedens zu verhindern.

McNamara befiehlt umfangreiche Truppenbewegungen im Süden der USA. Kampf- und Transportfliegergeschwader der Luftwaffe werden nach Florida verlegt. Das Heer mobilisiert zwei Luftlandedivisionen. Die Marineinfanterie verstärkt die Besatzung des USUnited States-Flottenstützpunktes Guantánamo auf Kuba. Mehr als 40 Schiffe der USUnited States-Navy laufen in die Karibische See aus. Fernaufklärer vom Typ U2 setzen ihre Einsätze fort. Mit ihren Luftaufnahmen hat die Besatzung einer U2 am 14. Oktober 1962 Gewissheit über den Bau der Basen für atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen auf Kuba gebracht. Die strategischen Luft- und Raketenstreitkräfte der USA sind in höchster Alarmbereitschaft.

Kennedy und seine Berater im Nationalen Sicherheitsrat handeln nach tage- und nächtelangen Krisensitzungen, nicht zuletzt aus innenpolitischen Motiven. Die USA befinden sich im Wahlkampf zu den Kongresswahlen 1962. Kennedy steht unter Druck, kämpft um seine Popularität. Der Wahlkampf kennt vornehmlich nur ein Thema: „What about Cuba?“ Präsident und Sicherheitsrat müssen eine Flut von nationalen Emotionen, Kommunisten-Angst und Wahl-Hysterie in ihre Entscheidungen einkalkulieren. Im Raum steht der Vorwurf republikanischer Senatoren, Kennedy toleriere durch Nichtstun den Bau der Raketenbasen auf Kuba.

Sowjet-Frachter drehen bei

Nach der Verkündung der Blockade hält die Welt den Atem an. Bis zu 25 Frachter des Ostblocks mit Ziel Kuba zählt die USUnited States-Aufklärung. 16 von ihnen brechen ihre Fahrt am 24. Oktober ab. Sie drehen bei und kehren wenige Tage später um. Nur einmal inspizieren die Amerikaner während der ganzen Kuba-Krise ein fremdes Schiff. Es ist der von den Sowjets gecharterte Frachter „Marcula“. Fünf Offiziere des USUnited States-Zerstörers „Joseph P. Kennedy jr.“ gehen an Bord. Sie müssen den libanesischen Frachter unter der Flagge Panamas passieren lassen. Kein U-Boot der Roten Flotte in der Karibik bekommt den Befehl zum Angriff auf USUnited States-Kriegsschiffe. Chruschtschow lenkt ein, da er fest davon überzeugt ist, dass die USA eine Invasion auf Kuba planen. Doch nur so lange, bis er merkt, dass auch Kennedy vor einem Kriegsbefehl zurückschreckt. Vor diesem Hintergrund erhöht Chruschtschow seine Forderungen, die er über Radio Moskau verbreiten lässt.

Über den Kontrahenten schwebt das Damoklesschwert des Nuklearkrieges. Es bewegt beide, auch mit ihren konventionellen Mitteln äußerst vorsichtig umzugehen. Chruschtschow stoppt die Schiffe, lässt den Bau der Raketenbasen aber mit zunehmender Intensität fortsetzen. Die Politik Kennedys droht in eine Sackgasse zu geraten. Da trifft am 26. Oktober ein Brief des Kremlchefs beim Präsidenten ein. Chruschtschow betont Friedenswillen und bietet den Abzug der Sowjets von Kuba an.

Bedingung: Die USA müssen versichern, Kuba nicht anzugreifen. Gleichzeitig übermittelt der Kremlchef Kennedy über die sowjetische Botschaft in Washington ein gleich lautendes Angebot. Die Enttäuschung folgt auf dem Fuß, da einen Tag später Radio Moskau einen sehr aggressiven Brief Chruschtschows an Kennedy verbreitet. Der Kremlchef koppelt darin den möglichen Abzug der russischen Raketen aus Kuba an einen Abzug amerikanischer Jupiter-Raketen aus der Türkei. Aus Sicht der Sowjetunion haben die USA 1958 mit der Stationierung von nuklearen Mittelstrecken-raketen in Europa ein gefährliches Spiel begonnen. In England stationieren sie 60 Raketensysteme vom Typ THOR, in Italien 30 Raketensysteme und in der Türkei 15 Raketensysteme vom Typ Jupiter.

Verhandlungen im Verborgenen

Kennedy und seine Berater beschließen, diesen zweiten „öffentlichen“ Brief offiziell zu ignorieren. Sie reagieren nur auf den ersten. Gleichzeitig nimmt Justizminister Robert F. Kennedy Geheim-verhandlungen mit dem Sowjetbotschafter Anatoli Dobrynin auf. Der Bruder des Präsidenten stellt Moskau den Abzug der USUnited States-Raketen aus der Türkei in Aussicht. Dies dürfe jedoch nicht offizieller Bestandteil der Verhandlungen zur Krisenbewältigung werden. Chruschtschow akzeptiert. Seine Antwort kommt am 28. Oktober 1962 gegen neun Uhr morgens: die Arbeiten an den Stützpunkten werde eingestellt, die Waffen „die Sie als offensiv bezeichnen“ werden abgebaut und in die Sowjetunion zurückgebracht.

An diesem Sonntag ist die Kuba-Krise beendet. Zwei Jahre nach der Kubakrise und ein Jahr nach dem tödlichen Attentat auf US-United States-Präsident Kennedy werden die Jupiter-Raketen aus der Türkei abgezogen. UN-United Nations-Generalsekretär U Thant bezeichnet die Kuba-Krise als „gefährlichste Konfrontation der beiden Weltmächte“ in der bis dahin 17-jährigen Geschichte der UNO-United Nations Organization. Eine Konsequenz der Krise ist der „Heiße Draht“ zwischen Washington und Moskau. Er wird 1963 installiert – damit die beiden Supermächte mit­einander reden können, bevor die Welt am Abgrund steht.

Gegenwart

Über 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges wird erneut ein „Heißer Draht“ eingerichtet. Es ist eine Initiative des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier. Kommunikationskanäle per Fernschreiber und Telefon verbinden die Generalstäbe Russlands und der NATO-North Atlantic Treaty Organization seit 2015. Ursache für ihre Installation ist die Ukraine-Krise im Dezember 2014. Etwa eine Woche nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird 2022 zusätzlich eine direkte Verbindung zwischen dem Europa-Hauptquartier der US-United States-Streitkräfte und Russland installiert.

FAZIT: Der Ukrainekrieg hat in Deutschland ähnliche Ängste und Besorgnisse ausgelöst wie die Kuba-Krise. Nur jetzt ist es ein heißer Krieg: Soldaten fallen und werden verletzt, Zivilisten getötet, Dörfer und Städte zerstört, Kriegsverbrechen verübt. Der „Heiße Draht“ könnte genutzt werden, um einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag zu verhandeln, wenn der politische Wille in Moskau vorhanden wäre. Aber auch, um den Einsatz taktischer Nuklearwaffen zu vermeiden, bevor die Welt wieder vor einem atomaren Abgrund steht.

Quelle: Bundeswehr